vendredi 22 avril 2011

Wachsende Probleme für die tschechische Regierung im Diag Human-Verfahren

Hana Sediva saß von 2002 bis 2010 als Abgeordnete der sozialdemokratischen Partei Tschechiens (CSSD) im tschechischen Parlament. Ihr Bekanntheitsgrad war gering. Sie brachte so gut wie keine Gesetzesinitiativen ein und versäumte mehr Abstimmungen als alle anderen Parlamentsangehörigen. Ihre allwöchentlichen Flüge zwischen Prag und ihrer Heimatstadt, die vom Parlament bezahlt wurden, brachten ihr immer wieder negative Schlagzeilen ein.

Im Jahr 2003 wurde sie zur Vorsitzenden eines parlamentarischen Sonderuntersuchungsausschusses gewählt, der sich mit dem notorischen Schiedsgerichtsverfahren zwischen dem Blutplasmahandelsunternehmen Diag Human und der Tschechischen Republik befassen sollte. 2001 hatte der Staat eine erste teilweise Schadensersatzzahlung in Höhe von 327 Mio. tschechischen Kronen leisten müssen. Im Schiedsgerichtsverfahren ging es um die Festsetzung einer endgültigen Summe. Auf Basis von Wertermittlungen, die Ernst & Young im Jahr 2007 durchgeführt hatte, wurde dafür später der Betrag von 8,3 Mrd. CZK errechnet. 2003 nutzte die neue Gesundheitsministerin Marie Souckova diesen hochgradig politisierten Fall für ihren Kampf gegen den Parteichef, den späteren EU-Kommissar Vladimir Spidla. Der parlamentarische Untersuchungsausschuss war in ihren Augen ein sicheres Mittel, um Spidla als führungsschwach hinzustellen. Hana Sediva saß dem Ausschuss während der fünfzehn Monate seines Bestehens vor. Sie wurde von der Presse bei offener Manipulation des Beweismaterials, Bezahlung von Zeugen und Einsatz rechtswidriger Mittel zur Beschaffung von Beweisen für eine Partei des Schiedsverfahrens ertappt und dafür im Text eines endgültigen Schiedsurteils von 2008 kritisiert.
Diag Human rief 2005 das Gericht an und reichte aufgrund der Arbeit dieses Ausschusses Verleumdungsklage gegen das Parlament ein. Nach sechs Jahren liegt jedoch noch immer keine Reaktion eines Richters vor. Die Rechtsvertreter des Parlaments legten mit der fadenscheinigen Begründung Einspruch ein, dass Parlamentsabgeordnete Vertreter des Volkes seien und eine Klage gegen „das Volk“ nicht möglich sei...

Vor den Wahlen 2010 erkannte Hana Sediva, dass sie aufgrund ihrer zunehmenden Unbeliebtheit nicht mehr wählbar war. Sie fädelte ein merkwürdiges Geschäft ein. Im Austausch gegen ihren Rücktritt vor Ablauf ihrer Mandatszeit als Abgeordnete erklärte sich der Justizminister bereit, Sediva zur Richterin zu ernennen. Dabei wurde darüber hinweg gesehen, dass sie die Anforderungen in Bezug auf juristische Ausbildung und Praxis nicht erfüllte. Sie erhielt eine Stelle als Bezirksrichterin im Bezirk 6 der Stadt Prag – und war zur Bestürzung ihres langjährigen Gegners Diag Human, des Klägers im Schiedsgerichtsverfahren, bald als Vorsitzende Richterin für eine der Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit diesem Verfahren zuständig.

Normalerweise werden die Fälle durch ein automatisches System an die Richter delegiert. Die Zuweisung erfolgt abhängig vom Zeitpunkt des Eingangs bei Gericht und der Verteilungsschlüssel ändert sich im Minutentakt. Für diesen Fall ist jedoch kein entsprechendes Protokoll aufzufinden. Zudem machte Richterin Sedliva ihren persönlichen Interessenskonflikt in diesem Fall nicht von Anfang an deutlich. Dafür unterliefen ihr mehrere Schreibfehler, und schließlich überwies sie den Fall an das falsche Gericht. Dadurch wurde das Verfahren viele Monate lang blockiert.

Auch heute noch, zwei Jahre nach seiner Niederlage im Schiedsgerichtsverfahren, weigert sich der tschechische Staat (oder genauer gesagt eine Gruppe von Einzelpersonen, die den Staat als Deckmantel für ihre eigenen Handlungen benutzen), das Urteil zu akzeptieren. Angesichts der wachsenden Zinsen für die Entschädigungssumme wird die Situation immer schwieriger. Die für die Betrugsbekämpfung zuständigen tschechischen Polizeiorgane befinden sich in offenem Konflikt mit dem Büro des Prager Oberstaatsanwalts, nachdem im Oktober 2010 ihre Korruptionsermittlungen im Zusammenhang mit diesem Fall verboten wurden, da sie „rechtswidrig und ohne Grundlage“ seien. Das Verbot erfolgte unmittelbar, bevor die Polizei offiziell Anklage gegen den ehemaligen Gesundheitsminister Tomas Julinek und seinen Stellvertreter Marek Snajder erheben wollte.

Die ehemalige Gesundheitsministerin Marie Souckova, die die Übergabe des Schiedsgerichtsverfahrens an ein neu geschaffenes Finanzstaatsanwaltsbüro vorsätzlich blockiert hat, muss sich wegen Untreue und Machtmissbrauch vor Gericht verantworten. Das Verfahren zieht sich seit über sechs Jahren hin. Der Rechtsanwalt, den Souckova als Vertreter der tschechischen Republik im Fall gegen Diag Human bestellt hatte, wurde 2010 wegen Veruntreuung von Klientenvermögen im Jahr 2009 zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.


Bildtext: Hana Sediva (Mitte) vor ihrer Ernennung zur Richterin

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