vendredi 22 avril 2011

Der Fall Diag Human

Im Jahr 2008 kam ein langwieriges Schiedsgerichtsverfahren zwischen der tschechischen Regierung und dem Blutplasmahandelsunternehmen Diag Human zum Abschluss. Das Urteil des Schiedsgerichts fiel zugunsten der von dem schillernden und sehr erfolgreichen Unternehmer Josef Stava (Josef Šťáva) gegründeten Firma Diag Human aus. Der Firma wurde Schadensersatz in Höhe von über 8 Mrd. CZK zuerkannt. Es schien, als ob sich Stavas Geduld endlich ausgezahlt hatte.

Josef Stava war neunzehn Jahre alt, als er die kommunistische Tschechoslowakei nach dem unter sowjetischer Führung erfolgten Einmarsch von 1968 verließ. Er studierte Chemie in der Schweiz. Später nahm er die Schweizer Staatsbürgerschaft an und baute sich eine steile Karriere als globaler Vertriebsspezialist für Johnson & Johnson auf. Stava wurde mehrfach als bester Vertriebsexperte des Jahres ausgezeichnet und bereiste zwei Jahrzehnte lang die gesamte Welt. In dieser Zeit wurde er zum erfolgreichen und geachteten Geschäftsmann, der über persönliche Kontakte zu der politischen Partei CSU in Bayern verfügte.

Unter anderem war er an der Organisation einer Initiative des Bayerischen Roten Kreuzes beteiligt, die 1984 an den Verhandlungen zur Freilassung 27 tschechoslowakischer Geiseln durch die UNITA im angolanischen Bürgerkrieg mitwirkte. Weiterhin wurde er mit der Durchführung von Hilfsleistungen des Bayerischen Roten Kreuzes für die ehemalige DDR beauftragt.

Gegen Stava ist häufig vorgebracht worden, er sein in den 80er Jahren als Waffenhändler tätig gewesen. Das Material in tschechoslowakischen Archiven weist jedoch einen bezeichnenden Widerspruch auf. Stava war in der Tat an zahlreichen Kontaktgesprächen mit Waffenexportfirmen des kommunistischen tschechoslowakischen Staates beteiligt. Niemand hat jedoch jemals ein Dokument vorgelegt, das auch nur ein abgeschlossenes Waffengeschäft nachweisen würde. Nach Aussage von Geheimdienstexperten war Stava möglicherweise Teil des in den Ländern des kommunistischen Blocks aktiven westlichen Netzwerks zur Informationsbeschaffung und versuchte, Erkenntnisse zu Waffenexporten und technische Daten zu gewinnen.

Zum Schwerpunkt von Stavas geschäftlichen Aktivitäten wurde ein profitabler Handel mit Blutplasma und Blutplasmaderivaten. In den 80er Jahren war dieses weltumspannende Geschäft in Händen einer eng verbundenen Gruppe privater Händler, die hauptsächlich von Zürich in der Schweiz aus operierten. Stava und Diag Human hatten über ihre Tätigkeit in der DDR ein spezielles Geschäftsmodell für devisenarme kommunistische Länder entwickelt. Diese konnten die teuren, nur im Westen hergestellten Blutderivate gegen Blutplasma eintauschen, das in den betreffenden Ländern von geschultem medizinischen Personal mit von Diag Human eingeführten Geräten aus dem Westen hergestellt wurde. Das gesamte System erfüllte die strengen US-Normen für die Spenderüberprüfung und Qualitätssicherung – eine wichtige Anforderung zu einer Zeit, in der sich die Angst vor HIV-Infektionen ausbreitete. In den späten achtziger Jahren machte der gesamte weltweite Blutplasmahandel eine einschneidende Konsolidierung durch. Die Anzahl der mit Plasmafraktionierung befassten Unternehmen ging innerhalb von zehn Jahren um 90 Prozent zurück. Nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Regime in Mittel- und Osteuropa 1989 fand ein harter und alles andere als fairer Wettbewerb um den neuen Markt statt. Dieser Markt mit über 300 Mio. Menschen versprach einerseits potenzielle Spender, deren Blut frei von Antibiotika und Restmedikation war und andererseits eine starke Nachfrage nach modernen Derivaten.

Josef Stava ging zurück in die Tschechoslowakei und begann umgehend damit, die Situation einer faktisch nicht vorhandenen Marktwirtschaft zu nutzen. Er investierte über 190 Mio. CZK und baute den Markt für Blutplasmaherstellung völlig neu auf. Sein Unternehmen schloss Verträge mit ca. 30 Krankenhäusern ab. Im Austausch gegen künftige Blutplasmalieferungen finanzierte es die Ausstattung der klinikeigenen Plasmaspendezentren und übernahm die Schulung des Klinikpersonals. Das Blutplasma wurde anschließend zum Fraktionierungsbetrieb der dänischen Firma Novo Nordisk transportiert, und die dort hergestellten Derivate gingen zurück in die Tschechoslowakei. In Polen, Jugoslawien, der Sowjetunion, Ungarn und weiteren ehemals kommunistischen Ländern fanden gleichfalls Verhandlungen über dieses Geschäftsmodell statt. Stava verschaffte sich einen Vorsprung von achtzehn Monaten vor seinen potenziellen Mitbewerbern und sicherte sich den gesamten Markt in der Tschechoslowakei und der DDR.

Zu diesem Zeitpunkt – als bereits die dritte Lieferung mit tiefgefrorenem Plasma von Prag nach Dänemark gebracht wurde – verstärkte eine kleine Gruppe Beamter des tschechischen Gesundheitsministeriums ihre verleumderische Medienkampagne. Dies führte dazu, dass der Gesundheitsminister ein persönliches Schreiben an Novo Nordisk schickte, in dem er mit dem Abbruch sämtlicher Geschäftsbeziehungen drohte, falls das Unternehmen seine Zusammenarbeit mit dem „suspekten Bluthändler“ Josef Stava nicht überdenke. Niemals zuvor und nie wieder danach hat das Ministerium versucht, den Wettbewerb auf dem Markt auf diese Weise durch seine Meinung zu beeinflussen. Das Unternehmen Novo Nordisk – das damals gerade in den Markt einstieg, auf dem es heute in der Tschechischen Republik einen Jahresumsatz von 3 Mrd. CZK im Insulinhandel erzielt – stellte die Geschäfte mit Josef Stava ein und zerstörte sie dadurch ein für allemal. Das tschechische Gesundheitsministerium überließ den von Stava aufgebauten Markt zwei Wettbewerbern, die – wie das Schiedsgericht in seiner Entscheidung von 2008 bestätigt – zum damaligen Zeitpunkt weder die über erforderlichen Lizenzen, noch über Lagerflächen oder Qualifikationen verfügten.

Der Grund für die Ausbootung Josef Stavas war ganz einfach, dass seine Marktposition zu stark wurde. Damit war er ein potenzieller Störfaktor bei der Privatisierung der Pharmaindustrie Tschechiens, die in den Händen einer relativ kleinen Gruppe tschechischer Beamter lag. Im Laufe dieses Prozesses verschwand schlicht die gesamte Industrie. Sie wurde teils schnell an Unternehmen aus dem Westen und teils – vor allem in Prag – an renditeorientierte Immobilienentwickler verkauft. Schätzungen zufolge hat die Tschechische Republik Verluste in Höhe von mehr als zwanzig Milliarden Kronen erlitten – ganz allein durch diese wilde Privatisierung, die mit der Fälschung von Regierungsdokumenten, Brandstiftung und dem Missbrauch staatlicher Bankbürgschaften einherging. Stava hätte dabei im Weg gestanden. Hierfür ist völlig belanglos, ob er Engel oder Teufel war, kommunistischer Geheimpolizist oder CIA-Agent, Waffenhändler, Abenteurer oder Menschenfreund. Der Zweck heiligte die Mittel.

Jetzt beginnt erstmals die Wahrheit hinter dieser Affäre zum Vorschein zu kommen. Die tschechische Regierung weigert sich derweil weiter beharrlich, ihre Fehler einzugestehen und ihren rechtlichen Verpflichtungen gegenüber Josef Stava und Diag Human nachzukommen.

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